Hannah Emde

Eure Fragen an Hannah Emde

Vor einigen Wochen haben wir euch zu einem Talk mit unserer Vereinsgründerin und Terra X-Moderatorin Hannah Emde eingeladen. Herausgekommen ist ein Abend mit zahlreichen Interessierten, der uns gezeigt hat, wie viele Menschen sich für den Artenschutz begeistern und selbst aktiv werden möchten. Für alle, die nicht dabei sein konnten, haben wir einige der am häufigsten gestellten Fragen zusammengefasst.

Persönliche Einblicke

Was hat dich dazu bewegt zum Fernsehen zu gehen und mit Terra X zusammenzuarbeiten?

Hannah Emde: Ja, das ist tatsächlich etwas, was man von einer Tierärztin nicht unbedingt erwarten würde. Ich habe sechs Jahre Veterinärmedizin in Hannover studiert und mich schon währenddessen auf Wildtiere spezialisiert, indem ich die Praktika und Semesterferien auf internationalen Forschungsstationen verbrachte. Hierdurch konnte ich viel Erfahrung im Umgang mit Wildtieren sammeln. Dann habe ich im Jahr 2017 mit einem Team von Fachleuten den Artenschutzverein Nepada Wildlife gegründet und ein Buch über meine Einsätze im Dschungel geschrieben. Dass ich dann aber zum Fernsehen gekommen bin, war überhaupt nicht der Plan. Es kam sehr unerwartet, dass ich vom NDR für die Doku-Serie „Hannah goes wild“ als Tierärztin in Namibia angefragt wurde. Als während meiner Arbeit in der Entwicklungszusammenarbeit im „One Health“ Bereich die Anfrage vom ZDF kam, war ich sehr überrascht und begeistert. Es macht mir so viel Freude, das Thema Biodiversität, für das ich mich schon immer eingesetzt habe, nahbarer, erlebbarer und verständlicher zu machen. Und das jetzt nicht mehr nur über Nepada Wildlife, sondern auch in der renommierten Dokureihe Terra X: Faszination Erde.
Hannah Emde
©ZDF / Tobias Schult
Hylobates Funerus Borneo Gibbon
© Charles Ryan

Was motiviert dich? Was sind deine Lebensziele?

Mich faszinieren die Natur, genauso wie Naturerlebnisse. Die Begeisterung für Tiere, sowie die Demut, die ich in der Natur spüre. Wenn ich in der Natur bin, brauche ich keinen Grund dafür, sie schützen und erhalten zu wollen. Das Ziel für mich persönlich ist es, Menschen zu begeistern und zu ermutigen, sodass wir alle einen Beitrag leisten können. Man muss nicht Tierärztin oder Biologin sein, wenn man sich im Artenschutz engagieren möchte. Alle Expertise, Fachkräfte und Hintergründe sind für den Erhalt unseres Planeten wichtig.

Hast du Dinge, die du früher gerne gewusst hättest oder heute anders machen würdest?

Selbstbewusster sein! Mich eigenständig bei Projekten oder Institutionen melden oder auch direkt vor Ort ein Netzwerk aufbauen. Das ist teilweise leichter, als aus Deutschland eine Mail zu schreiben. Und auch, auf die eigenen Fähigkeiten zu vertrauen, auch wenn der eigene wissenschaftliche Hintergrund noch nicht so groß ist. Man bringt so viel mit, mit dem man einen Unterschied machen kann. Und das Wichtigste: Immer Fragen stellen und demütig bleiben! Ihr lernt von den Menschen vor Ort und nicht andersherum.

Rund um den Nepada Wildlife e.V.

Tierärztin Nebelparder
Hannahs Lieblingstier und Namensgeber des Vereins: Der Sunda-Nebelparder, eine seltene und bedrohte Raubkatze, die auf Borneo zuhause ist.

Wie bist du dazu gekommen, den Verein Nepada Wildlife zu gründen?

Hannah: Ich habe den Nepada Wildlife e.V. im Tiermedizin-Studium gegründet, da meiner Meinung nach die Themen Biodiversität und Artenschutz in der Tiermedizin zu kurz kamen. Es gibt weltweit so viele tolle Menschen, die sich für Wildtiere und Lebensraumschutz einsetzen, die wollte ich unterstützen. Und als Verein mit einem Team hat man da andere Möglichkeiten als allein.

Inwiefern engagierst du dich noch in deinem Artenschutzverein?

Ich bin seit der Gründung von Nepada Wildlife e.V. die erste Vorsitzende, allerdings seit letztem Jahr etwas weniger präsent, aufgrund der Drehreisen für Terra X. Deshalb haben wir eine neue Aufgabenverteilung mit Vorstand und Geschäftsführung. Bei den Vorstandsmeetings und inhaltlichen Themen bin ich trotzdem weiter dabei. Meine Ideen werden weiter eingebracht und das restliche Nepada Wildlife Team wuppt alles, auch wenn ich im Dschungel bin.
Hannah Emde Borneo

Gibt es Regionen auf der Welt, in denen ein besonderer Handlungsbedarf besteht?

In den Regionen in der Äquatornähe ist eine besonders hohe Biodiversität und Artenvielfalt vorhanden. Gerade diese G77 Länder haben einen besonders hohen Handlungsbedarf, den wir mit Nepada Wildlife e.V. unterstützen. Wir beschränken uns allerdings nicht auf einen Lebensraum, sondern möchten beim Erhalt von Wäldern, Küsten und Meeren unterstützen.

Plant Nepada Wildlife e.V. auch Projekte in Deutschland?

Die Satzung von Nepada Wildlife e.V. konzentriert sich auf den Biodiversitätsschutz in den tropischen Regionen, in den G77 Ländern entlang des Äquators. Das liegt an der extrem hohen Biodiversität in diesen Regionen, die jedoch gleichzeitig massiv bedroht ist. Und die Menschen, die sich in ebendiesen Regionen für den Erhalt der Biodiversität einsetzen, bekommen oft nicht das nötige Gehör, wie wir im globalen Norden. Unser Ziel mit Nepada Wildlife e.V. ist es nicht eigenständig Naturschutzprojekte umzusetzen, sondern Menschen vor Ort beim Schutz ihrer Arten und Lebensräume zu unterstützen. Das machen wir mit den Werkzeugen, die vor Ort benötigt werden, z.B. tiermedizinische Hilfe, Spenden, Sachspenden, Kommunikationsmaterial, Websites. Wir wollen Menschen vernetzen und befähigen, selbstständig für den Naturschutz einzustehen.

Das bedeutet nicht, dass in Deutschland kein Artenschutz betrieben werden muss. Zum Glück gibt es hier jedoch schon sehr große und gute Organisationen, die sich für den Artenschutz in Deutschland einsetzen. Wir sind jedoch mit der Bildungsarbeit in Deutschland aktiv. Hierbei erstellen wir Bildungsmaterialien für Schulen, aber auch für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene
4Wildlife App
© Maximilian Probst

Kannst du etwas über deine Bildungsarbeit erzählen?

Ich wollte gerne das Wissen und die Erfahrungen meiner Auslandsprojekte weitergeben. Ich habe schon immer gerne Jugendarbeit gemacht und Vorträge gehalten. Expertise nahbar zu vermitteln macht unglaublich viel Freude. Es ist wichtig, auch in der Schule bereits über Natur- und Artenschutz zu sprechen und deutlich zu machen, was der Orang-Utan in Borneo mit uns hier in Deutschland zu tun hat. Kinder verstehen schon früh, was unser Lebensstil mit der Umwelt zu tun hat. Hierfür ist eine gute Abstimmung mit Schulen und den aktuellen Lehrplänen unabdingbar.

Gibt es Möglichkeiten die Bildungsangebote des Nepada Wildlife e.V. über den Raum Hamburg hinaus zu nutzen?

Das Ziel sind Regionalgruppen in einzelnen Städten. Die Testphase mit unserem ersten Projekt 4Wildlife-Regenwald läuft komplett in Hamburg. Aber wir brauchen dringend noch Ehrenamtliche, die sich gerade in dem Bereich Bildung engagieren und Lust haben und hier zu unterstützen und an Schulen zu gehen. Meldet euch gerne unter bildung@nepadawild.life

Gerade läuft außerdem das 4Wildlife-Expedition Ozean mit dem Ansatz der Gamification. Hierbei wollen wir das Thema Meeresschutz anhand der Reise des Blauwals näherbringen. Auch hier brauchen wir immer Unterstützung. Wir arbeiten größtenteils digital und sind hier gut aufgestellt, weshalb die Arbeit von überall möglich ist.

Gibt es Möglichkeiten direkt bei Nepada Wildlife e.V. ein Praktikum zu machen.

Derzeit besteht die Möglichkeit leider noch nicht, wobei wir uns über die zusätzliche Unterstützung sehr freuen würden. Aktuell ist unser Verein fast nur mit Ehrenamtlichen besetzt.
Logo Nepada Wildlife

Wie kann man Nepada Wildlife e.V. aktuell am besten unterstützen?

Ganz aktuell unterstützen wir zwei große Projekte in Malaysia. Eins ist die Gibbon Conservation Society, die wir beim Aufbau einer Auffangstation unterstützt haben. Auch hier ist die Auswilderung aufgrund des mangelnden Lebensraumes eine enorme Herausforderung.

Daraus resultiert unser zweites Projekt: Die Unterstützung des Rhino and Forest Fund e.V.. Dieser Verein kümmert sich um die Erweiterung des Lebensraumes für alle Tiere auf Borneo. Dies geschieht konkret durch die Aufforstung von Wildtierkorridoren, um einzelne Waldfragmente wieder miteinander zu vernetzen. Auf Borneo war einst viel Regenwald vorhanden, der jedoch durch die wachsende Bevölkerung immer weiter schwindet. Auch der Anbau von Palmöl in Monokulturen stellt ein Problem dar und führt zur Abholzung von Regenwald. Eine komplette Wiederaufforstung ist ein utopisches und riesiges Unterfangen, die Vernetzung der einzelnen Waldfragmente ist jedoch eine gute Möglichkeit die Biodiversität zu schützen. Hierbei pflanzt man zunächst Bäume, die Tiere anlocken, wie beispielsweise Feigenbäume. Es handelt sich um ein langfristiges und sehr sinnvolles Projekt, welches sowohl den Tieren als auch der Biodiversität zugutekommt. Hierbei handelt es sich um Artenschutz in einer größeren Dimension, mit dem Ziel das Ökosystem wiederherzustellen und nicht nur einzelne Spezies zu betrachten. Hierfür benötigen wir aktuell am dringendsten monetäre Unterstützung, um Ländereien zu kaufen und wiederaufzuforsten.

Parallel suchen wir auch noch Ehrenamtliche, die sich im Bereich Bildung engagieren wollen und Lust haben an Schulen zu gehen. Auch bei unserem neuen Projekt 4Wildlife-Expedition Ozean brauchen wir Unterstützung.

Schaut am besten beim digitalen Schwarzen Brett vorbei, um zu sehen, welche Unterstützung wir benötigen. Darüber hinaus könnt ihr natürlich auch Nepada Wildlife Fördermitglied werden.

Aktiv werden im Artenschutz

Wie ist es mit Wildtieren zusammenzuarbeiten?

Hannah: Es handelt sich um ein großes und interessantes Arbeitsfeld. Am besten ist es die Wildtiere so weit wie möglich in Ruhe zu lassen. Sie sollten so wenig wie möglich angefasst werden. Als Tierärztin ist dieser Abstand nicht immer möglich, vor allem wenn ich eine bestimmte Forschungsaufgabe habe. Insgesamt ist meine Aufgabe als Tierärztin nicht die Forschung selbst gewesen, sondern die Unterstützung von anderen Forschungsprojekten. Immer wenn mit Wildtieren gearbeitet wird muss ein*e Tiermediziner*in vor Ort sein, um die Wildtiere zu behandeln. Seien es Probenentnahmen, Krankheitserkennung oder die Gewinnung von genetischem Material. Denn Wildtiere in Narkose legen oder mit Betäubungsmitteln umgehen darf ein Wildtier nur ein*e approbierte Tier*ärztin.
Es gibt auch Wildtiermediziner*innen, die selbstständig forschen. Oft in Bezug auf Gesundheitsfragen und im Bereich One Health, wo es unter anderem auch um die Erforschung von Zoonosen geht.

Einen weiteren Arbeitsbereich stellen die Auffangstationen dar. Diese sind das Resultat von Konflikten zwischen Mensch und Tier oder schwindenden Lebensräumen. Wildtierauffangstationen haben das Ziel der Auswilderung, was jedoch bei mangelndem Lebensraum eine ideelle Vorstellung ist und somit oft vor großen Herausforderungen steht. Hier muss man wirklich sorgfältig prüfen, mit welcher Absicht die Wildtiere in menschlicher Obhut gehalten werden
Ara Fütterung
Ob in der Aufzuchtstation der gefährdeten Roten Aras in Guatemala oder der Arbeit mitten im Regenwald – Hannah liebt die Arbeit mit wilden Tieren und wissenschaftlichen Forschungsprojekten.
Untersuchung Civet

Wie wurdest du auf deine Forschungsprojekte aufmerksam?

Viele der Forschungsprojekte laufen als Volunteering. Auf den Stationen habe ich während meines Studiums als Praktikantin mitgearbeitet, aber das habe ich nicht über Ausschreibungen gefunden, sondern auf Kongressen (z.B. Wildlife Disease Association, European Association of Zoo and Wildlife Veterinarians). Hier habe ich die ersten Kontakte geknüpft und bin auf eigene Kosten zu den jeweiligen Forschungsprojekten gereist gegen Kost und Logis.

Manchmal sind auch Stellenausschreibungen vorhanden, zum Beispiel bei der Wildlife Disease Association und der EDWA (European Wildlife Disease Association).

Was sind Forschungsprojekte, die du empfehlen kannst, um besser in das Feld der Wildtiermedizin einzusteigen und im Regenwald tätig zu sein?

Wir als Verein Nepada Wildlife e.V. haben eine Empfehlungsliste zusammengestellt, die sich genau mit dieser Frage befasst. Wir sammeln Organisationen und Projekte weltweit, bei denen man mitarbeiten und sich freiwillig engagieren kann. Das ist eine große Herausforderung, weil es sehr viele Projekte gibt, die man differenzieren muss. Bei welchen Projekten geht es um Artenschutz? Wo handelt es sich um Geldmacherei? Wo arbeitet man aktiv am Artenschutz? Wir versuchen nur Organisationen zu repräsentieren, die wir selbst schon einmal besucht haben, wo wir persönlich Kontakt haben oder die uns von Ehrenamtlichen und dem Nepada-Team empfohlen wurden. Wir möchten gerne vernetzen und auch kleineren Organisationen Gehör verschaffen. Wir übernehmen keine Haftung oder können hier aktiv vermitteln. Die Liste dient lediglich als Orientierung: Volunteering – Liste empfehlenswerter Organisationen.
Hannah Emde privat

Würdest du rückblickend das Tiermedizin-Studium für das, was du jetzt gerade machst als Basis empfehlen?

Das ist eine Frage, die ich mir selbst schon oft gestellt habe. Das Tiermedizin-Studium ist lang und herausfordernd. Ich würde es aber immer wieder so machen, weil ich mich neben den Tieren auch sehr für Zoonosen, Medizin und One Health interessiere. Ich wollte die Zusammenhänge von Tieren, Krankheit und Umwelt verstehen, deshalb war es für mich genau der richtige Weg. Es war aber nicht der einzige, auch durch andere Wege hätte ich dahin kommen können, wo ich jetzt bin.
Vielen Dank für eure Fragen und diesen wunderbaren Abend! Wir werden das bestimmt wiederholen.
Portrait Natascha Kreye
Natascha Kreye

Team Lead Kommunikation Nepada Wildlife

hat Hannah Emde beim Sommertalk 2024 eure Fragen gestellt.