Civet Untersuchung

Civets – Borneos Schleichkatzen

Civet Untersuchung

Lautes Geraschel in den Bäumen, Äste fallen zu Boden, Kreischen und Fauchen ist zu hören. Verwirrt schrecke ich aus dem Schlaf, was war das?

Ich schiebe das Moskitonetz zur Seite und schaue nach draußen. Die Sonne ist schon aufgegangen und die Vögel singen aufgeregt ihre Lieder. Vor meinem Fenster entdecke ich eine große Gruppe von Makakken, die in den Bäumen toben. Zwei ausgewachsene Männchen scheinen sich lauthals um etwas zu streiten. Drei kleinere Äffchen jagen sich gegenseitig wild durch die Bäume. Wahnsinn wie weit diese kleinen Tierchen springen können. Einer fällt vom Baum, ups. Rappelt sich aber schnell wieder auf und sprintet den Stamm hoch. So ganz habe ich mich immer noch nicht an Regenwald und Affen direkt vor meinem Fenster gewöhnt, denke ich mir, als ich aus dem Bett steige und mit der täglichen Routine beginne.
Eine halbe Stunde später sitze ich mit Meaghan (kurz Meg), einer jungen Forscherin aus den USA, und mit Sergio, dem Tierarzt der Station, im Boot auf dem Weg zu Megs »Trapping Site«. Meg lebt schon seit vier Jahren auf der Forschungsstation und arbeitet an ihrer PhD über Borneos Schleichkatzen (Civets). Hauptsächlich beschäftig sie sich mit der Malaiischen Zibetkatze (Malayan civet, Viverra tangalunga) und dem Fleckenmusang (Common palm civet; Paradoxurus hermaphroditus). Civets haben unterhalb des Schwanzes eine außergewöhnliche Duftdrüse, die der Reviermarkierung dient und häufig mit Hoden verwechselt wird.
Ziel der Studie ist es, mehr über das Verbreitungsgebiet und die Habitat Nutzung der Tiere herauszufinden. Wo halten sich die Tiere oft auf? Wie verhalten sie sich in der Wildnis des Dschungels im Vergleich zu den kultivierten Palmölplantagen? Welche Auswirkung haben gerodeten Waldflächen und die Fragmentierung ihres Habitats auf die Raubtiere? Dazu fängt Meg Einzeltiere und stattet es mit einem GPS-Sender aus. Die Schleichkatzen tragen die Sender als Halsband. Dieser Sender zeichnet für einige Monate in regelmäßige Abständen den Standort des Tieres auf und sendet das GPS-Signal an einen Empfänger. Nach 6 Monaten fällt das Halsband mit dem Sender ab und kann von der Forscherin wieder aufgesammelt werden. Außerdem nimmt sie Proben von den Tieren, um diese z.B. nach Schadstoffen zu untersuchen. Damit möchte sie herausfinden, ob durch Einflüsse der Palmölplantagen Schwermetalle in das Grundwasser gelangen und den natürlichen Lebensraum der Civets negativ beeinflussen.
Untersuchung Civet
An diesen Morgen fahren wir zu dem ersten Standort an dem wir die Fallen gestern Abend geöffnet haben. Seit einer Woche versuchen wir hier schon unser Glück, aber noch keiner der kleinen Vierbeiner hatte Lust in die Falle zu tapsen. Meg nutzt gebrauchtes »Cooking Oil« als Köder, das riecht intensiv nach Fressen, lockt aber nicht die Ameisen an. Ein genialer Trick. Anhand von Kamerafallen findet sie Standorte, an denen sich viele Civets aufhalten und genau dort stellt sie ihre Fallen auf.
Es bleibt jeden Morgen aufregend, wenn wir leise zu den Fallen schleichen. Haben wir heute ein Tier oder nicht? Leider sind die Fallen heute wieder mal leer geblieben. Enttäuscht schließen wir sie wieder, damit es sich tagsüber keine anderen Tiere darin gemütlich machen. Civets sind ausschließlich nachtaktiv. Weiter geht es zu den anderen Standorten: »Seven more to go!« Es ist beeindruckend, was man für eine Geduld und Ausdauer haben muss, wenn man mit Wildtieren arbeitet. Jeden Tag werden die Fallen neu gestellt und kontrolliert, doch es dauert oft Wochen bis zum ersten Erfolg. Auch an den nächsten Standorten haben wir kein Glück und so langsam verlässt uns der Mut. Da sind die schönen Nashornvögel im blauen Himmel oder das kleine Krokodil, das sich auf der Sandbank sonnt, nur ein kleiner Trost.
Als wir am letzten Standort ankommen und zur Falle im Wald schleichen, bleibt Meg plötzlich stehen und flüstert: »I think we’ve got one!« Aufgeregt nähern wir uns dem Civet. Ein kleiner Fleckenmusang (Paradoxurus hermaphroditus) schaut uns aus großen Augen an. Wir machen uns direkt an die Arbeit. Verrückt, wie hier einfach eine große Plane als »OP-Tisch« mitten im Wald ausgebreitet wird. Wir zünden ein paar Rauchspiralen gegen die Moskitos an und schon haben wir unseren Arbeitsplatz. Vielleicht nicht ganz so steril wie in der Klinik, aber vollkommen ausreichend. Unser ganzes Equipment haben wir dabei.
Untersuchung Civet
Ich kümmere mich um die Betäubung und Meg um die Beprobung des Tieres. Der Tierarzt der Station hat mir alles beigebracht und nun darf ich heute meine erste eigene Anästhesie durchführen. Ich bin innerlich ganz schön aufgeregt, lasse mir aber nichts anmerken und konzentriere mich voll auf die Arbeit. Nachdem wir alles vorbereitet haben und die Atemmasken tragen, schleiche ich mich vorsichtig an den Musang heran. Nur eine kleine Spritze reicht für die leichte Anästhesie aus. Allerdings ist das gar nicht so leicht bei einem wilden Tier, das überhaupt nicht an den Menschen gewöhnt ist. Nach mehreren Anläufen gelingt es mir schließlich doch. Nachdem der Kleine eingeschlafen ist, wird er genau ausgemessen und sein Fellmuster fotografiert. Jede Zibet-Katze hat ihre individuelle Fellzeichnung. Außerdem nehmen wir Haar-, Kot- und Blutproben. Ich überwache die Narkose und markiere das Tier mit einem Chip, um einen Wiederfang zu vermeiden. Nach 30 Minuten sind wir fertig und der Kleine kann in Ruhe im Käfig aufwachen. Es hat alles gut geklappt. Ein gutes Team ist in einer solchen Situationen Gold wert. Nach einer Stunde ist der kleine Musang wieder ganz auf den Beinen und wir lassen ihn in den Wald frei.
Ich bin sehr erleichtert und auch ein klein bisschen stolz. Es war meine erste selbst durchgeführte Narkose in der Wildnis. Sehr cool! Allerdings muss ich zugeben, ist es doch kein großer Unterschied zu den Katzen oder Hunden in der Klinik. Nur ist alles etwas wilder und fremder und vor allen eben draußen in der freien Natur!
Civet
Portrait Hannah Emde
HANNAH EMDE

Autorin, Gründerin und 1. Vorsitzende des Vereins

berichtet von ihren Einsätzen als Tierärztin in internationalen Artenschutzprojekten