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Zinn – Wofür wir es brauchen und wie es die Natur verändert

Konservendosen Zinn
Konservendosen bestehen meist aus verzinntem Stahlblech. © Unsplash / Pamela Callaway
Zinn? Nein, das verwende ich nicht. Sicher? Denn das silbrig-graue Metall hat eine immense Bedeutung für die Wirtschaft. Es wird in der Autoindustrie, für Lebensmittelverpackungen (Dosen) sowie Handys und Tablets verwendet. Genau diese große Bandbreite an Verwendungsmöglichkeiten ist Segen und Fluch zu gleich. Denn wie bei Gold hat der häufig illegale Abbau enorme Auswirkungen auf Menschen und die Natur. Dies betrifft vor allem die indonesische Inseln Bangka und Belitung.

Food
for Thought

Indonesien ist Teil des größten Zinnvorkommens der Welt, auch „Tin Belt“ (Zinngürtel) genannt. Diese Zinnerzader ist bis zu 2.800km lang und reicht von Indonesien bis nach China. Dementsprechend sind dies die beiden Länder mit der größten Zinnproduktion. Doch während China primär für den eigenen Markt fördert, ist Indonesien Hauptexporteur des Metalls. 2019 waren es circa 80.000 Tonnen, was etwa 25% der Weltproduktion entspricht. Die indonesische Regierung hat 2020 das Gesetz für Kohle und Bergbau überarbeitet. Nun werden Unternehmen verpflichtet, nach neuen Vorkommen zu suchen. Auch räumliche Grenzen wurden abgeschafft, so dass überall nach Zinn gesucht werden kann. Ein Ende dieses Booms ist nicht absehbar. Es werden immer neue Lagerstätten entdeckt.
Im Gegensatz zu Gold wird Zinn sowohl an Land als auch im Meer abgebaut. Für den Abbau an Land wird zuerst Wald gerodet. Danach wird eine Grube gegraben und eine Bohrstange in den Boden getrieben. Mit Hilfe einer Pumpe wird der Sand dann nach oben befördert. Dort wird er gewaschen, bis nur noch das Mineral übrigbleibt. Im Meer wird ganz ähnlich vorgegangen. Von einem Boot aus wird die Stange in den Boden gerammt und der Sand nach oben gepumpt. Hier bedient meist ein einzelner Taucher den Schlauch, versorgt über einen eigenen Luftschlauch.
Kassiterit
Kassiterit ist ein Erz zur Gewinnung von Zinn.
Indonesien Bangka und Belitung
Der Zinnabbau hat Auswirkungen auf die Natur der indonesischen Inseln Bangka und Belitung. © Ruben Sukatendel / Pexels

Die
Preisfrage

Die Folgen für Mensch und Umwelt sind katastrophal und gehen auch oft Hand in Hand. Es fehlt ein gewisser Arbeitsschutz, daher kommt es regelmäßig zu tödlichen Unfällen. Schätzungen gehen von 100 bis 150 Todesfällen pro Jahr aus (ARTE Reportage). Da sich viele Arbeiter*innen die entsprechende Ausrüstung nicht leisten können, fallen die Gruben häufig in sich zusammen und begraben die Menschen unter sich. Diese können dann meist nur tot geborgen werden. Da die verlassenen Gruben sich mit Wasser füllen, sind sie hervorragende Brutstätten für Mücken, die Krankheiten wie Malaria oder Dengue-Fieber übertragen. Für die Gewinnung von Zinn werden Regenwälder gerodet. Nach dem Abbau bleibt eine Mondlandschaft zurück, auf der nichts mehr wächst und wo Landwirte nichts mehr anbauen können. So sind bisher circa 65% dieses wertvollen Ökosystems auf Bangka zerstört worden. Das Trinkwasser wird knapp, denn durch den fehlenden Wald nehmen Naturkatastrophen wie Dürren oder Überschwemmungen zu. Für die Abbaugebiete werden außerdem Mangrovenwälder zerstört, wodurch die Küsten anfälliger für Stürme werden, und viele Fische ihre dortige Kinderstuben verlieren.
Im Meer selbst kommt es ebenfalls zu Unfällen, wenn zum Beispiel der Luftschlauch der Taucher beschädigt wird. Diese können dann nicht mehr rechtzeitig auftauchen. Durch die aufgewirbelten Sedimente ersticken zudem Korallen. Durch den Verlust dieses Lebensraums sind viele Fischbestände bedroht und lokale Fischer müssen um ihre Existenz fürchten. Trotzdem wird der Zinnabbau auch von der lokalen Bevölkerung getragen, denn vielen Familien fehlt eine Alternative. Der Verdienst kann sehr lukrativ sein. Für 60kg erhalten sie 300 Euro, ein durchschnittlicher Monatslohn. Teilweise müssen sogar Kinder ihren Väter bei dieser körperlich extrem harten Arbeit, wie dem Abladen der Boote, begleiten. Andere Einkommensquellen sind Mangelware, denn wegen der  zerstörten Gebiete bleiben auch viele Touristen weg.
Lötzinn
Zinn wir auch zum Löten verwendet, um in der Elektronikindustrie Bauteile zu verbinden. © Blaz Erzetic / Pexels
Indonesien Küste
Im Meer vor Indonesien befindet sich das größte Zinnvorkommen der Welt © Galih Putro / Unsplash

Zum
Mitnehmen

Da Zinn eine so enorme Bedeutung für unser tägliches Leben hat, zählt jeder einzelne Schritt. So kann man seine elektrischen Geräte möglichst lange benutzen und beispielsweise nicht jedes Jahr ein neues Handy kaufen. Zuerst sollte geschaut werden, ob sich eine Reparatur lohnt. Falls dies nicht der Fall ist, sollte der Elektroschrott fachgerecht entsorgt und recycelt werden. Fachgeschäfte nehmen die Geräte zurück, so können die Rohstoffe erneut genutzt werden. Beim Kauf kann man auf fair gehandelte Produkte achten. Einige Unternehmen und Start-ups bieten Produkte aus fair produziertem oder recyceltem Zinn an. Zum Beispiel gibt es Anbieter für Smartphones, die langlebig sind und aus fairen Produktionsbedingungen hergestellt wurden.
Auch kann man NGOs unterstützen, die sich gegen die Naturzerstörung und für faire Arbeitsbedingungen einsetzen. Transparente Lieferketten können dafür sorgen, dass jeder nachvollziehen kann, wo die Rohstoffe herkommen. Dafür kann sich bei Politikern stark gemacht werden. Im Bereich Lebensmittel kann man, wann immer es möglich ist, in Unverpackt-Läden einkaufen oder regionales und saisonales Essen und möglichst keine Konserven kaufen. Auch hier hat unser tägliches Kaufverhalten einen direkten Einfluss auf den Abbau von Zinn in Indonesien.
Norman Schöne Team
Norman Schöne

aus dem Nepada Wildlife Kommunikationsteam

arbeitet in der Landwirtschaft, ist besonders fasziniert von Fledermäusen und überall auf der Welt Wildlife zu erleben
Unsere „Artenschutz to go”-Beiträge erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern geben lediglich Impulse für einen bewussteren und nachhaltigeren Umgang mit unserem Planeten. Gemeinsam können wir vieles besser, aber auch nicht sofort alles richtig machen. Möchtet ihr weitere Informationen zu diesem Thema mit uns teilen? Oder habt ihr kritische Anmerkungen? Dann schreibt uns oder diskutiert mit uns in unseren Social Media Kanälen.