
Warum das Eis verschwindet und welche Folgen das hat

Wir leben derzeit in einem Eiszeitalter. Wie bitte? Das klingt angesichts immer neuer Temperaturrekorde paradox. Doch das ist nur eine Definitionsfrage. Eiszeitalter beschreibt nämlich die Zeit auf unserer Erde, in der mindestens eine Polregion vergletschert beziehungsweise mit Eis bedeckt ist. Das ist bislang der Fall.
Doch durch die Klimaerwärmung schmelzen die Gletscher und das Eis auf dem gesamten Globus. Einer Studie zufolge, erschienen Anfang 2023 im Magazin Science (Link in den Quellen), wird bei einer Erwärmung um 1,5°C im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter (Jahre vor 1850) die Hälfte aller Gletscher weltweit verschwunden sein. Die Gletscherschmelze hat bereits begonnen: Im August 2019 erklärte Island den Okjökull für „tot“, weil er nicht mehr genug Eis führt, um selbstständig zu fließen. Das ist eine Warnung an uns alle, was uns in Zukunft bevorsteht, wenn wir nicht entschlossen gegensteuern.
Was sind die Ursachen des dramatischen Eisrückgangs?
Hauptursache ist der vom Menschen verursachte Klimawandel. Das heißt, dass Treibhausgase wie Kohlenstoffdioxid und Methan in großem Maße in die Atmosphäre ausgestoßen werden. Viel mehr, als durch natürliche Prozesse gebunden werden kann. Hauptquelle für den Ausstoß von CO2 sind die Verbrennung fossiler Rohstoffe wie Kohle, Öl und Gas – vor allem durch Kohlekraftwerke, Schwerindustrie und Verkehr. Hauptquelle für Methan ist die industrielle Landwirtschaft. Dies alles führt zu einem globalen Temperaturanstieg, der Eismassen und Gletscher schmelzen lässt. So beträgt die aktuelle Eisfläche der Arktis rund 9,6% weniger als im langjährigen Mittel (1981-2010). Sie könnte im Sommer bald eisfrei sein.

Folgen der Eis- und Gletscherschmelze
Die Folgen sind vielfältig, einige regional, andere global.
Eine Folge ist die Veränderung von Meeresströmungen. Durch die vermehrte Zufuhr von Süßwasser in Salzwasser wird das Verhältnis von Temperatur und Salz verändert . Dies hat zunehmend Einfluss auf die weltweiten Meeresströmungen – mit weitreichenden Folgen. Laut einer niederländischen Studie von Anfang 2024 gibt es bereits erste Anzeichen, dass sich die Atlantische Meridionale Umwälzströmung (AMOC) ändert. Der Zusammenbruch dieser Strömung könnte etwa dazu führen, dass in Teilen Europas die Temperatur um bis zu 30°C sinkt oder der Amazonas zum Trockengebiet wird. Eine weitere Folge der Abschmelzungen ist die zusätzliche Erwärmung der Atmosphäre. Schnee und Eis besitzen ein hohes Rückstrahlvermögen für Sonnenlicht (Albedo). Dies trägt zur Kühlung des Planeten bei. Weniger Eis und Schnee bedeutet, dass weniger Sonnenlicht zurück ins All reflektiert wird. Die Erde erwärmt sich mehr und mehr.
Durch das Schmelzen des arktischen Eises droht zudem ein Anstieg des Meeresspiegels. Dies führt dazu, dass manche Länder, wie die Malediven, immer mehr Landfläche und Lebensraum verlieren und sogar komplett verschwinden könnten. Andere Länder, wie die Niederlande, müssen immer aufwendigere Maßnahmen zum Hochwasserschutz ergreifen. Das kommt auch auf die Küstenregionen Deutschlands zu.
Außerdem lassen die gestiegenen Temperaturen auch die weltweiten Gletscher abschmelzen, was gravierende Veränderungen der Flusssysteme zur Folge hat. Zunächst führt das verstärkte Schmelzen zu mehr und stärkerem Hochwasser in den Flüssen. Langfristig wird der Wasserpegel der Flüsse dann zurückgehen, was wiederum zu vermehrter Trockenheit führt. Dadurch verändern sich Ökosysteme. Menschen, Tiere und Pflanzen verlieren ihren Lebensraum und ihre Nahrungsgrundlage. Auch Trinkwasser wird dadurch knapper. Das Abschmelzen führt auch zu einem verstärkten Druck auf Gletscherseen. Dies kann dazu führen, dass die Seen dem Druck nicht mehr standhalten können und die Ränder wegbrechen. Lokale Fluten sind die Folge. 2013 hatte ein solches Ereignis im Himalaya zum Tod von 5.000 Menschen geführt.

Diese Umweltfolgen führen natürlich auch zu geopolitischen Problemen. Durch den Meeresspiegelanstieg, Süßwasserknappheit und die Unbewohnbarkeit von immer mehr Gebieten kommt es zu Konflikten und stärkeren Migrationsbewegungen. Zudem werden Gebiete zugänglich, die vorher von Eis bedeckt waren. Das klingt erstmal positiv, hat aber Schattenseiten. Denn es lagern viele Rohstoffe wie Öl oder Metalle in solchen Gebieten. Das weckt natürlich Begehrlichkeiten. Doch der Abbau würde zu weiterer Zerstörung von Ökosystemen führen und den Klimawandel zusätzlich anfachen.
Eine weitere Folge ist noch nicht so bekannt. Im Eis sind verschiedene Erreger konserviert, die durch das Auftauen freigesetzt werden. So führte das Auftauen des Permafrostes 2016 in Sibirien zum Beispiel zu einem Ausbruch von Milzbrand. Während es sich dabei um einen bekannten Erreger handelte, wird vermutet, dass noch zahlreiche unbekannte Arten im Eis verborgen sind.

Welche Lösungen gibt es?
So vielfältig die Folgen der Schmelze sind, so vielfältig sind die Lösungsansätze. Wichtig ist besonders, die Hauptursache anzugehen: den globalen Klimawandel. Um dem Eis eine Chance zu geben, müssen die direkten Folgen gemildert oder –wenn möglich– beseitigt werden.
Zur Bekämpfung des Klimawandels sind vor allem globale Lösungen nötig. Die Weltgemeinschaft muss auf politischer Ebene handeln, genauso wie die einzelnen Länder für sich. Ein Anfang ist gemacht, mit dem erst kürzlich verabschiedetem EU-Renaturierungsgesetz. Es schreibt vor, dass 30% der Erdoberfläche renaturiert werden sollen. Moore sollen wieder vernässt, Wälder wiederhergestellt werden und Bäume sollen wieder älter werden dürfen. Zudem sieht es den Ausbau erneuerbarer Energien vor, einen umweltfreundlicheren Verkehr sowie eine nachhaltigere Landwirtschaft.
Zur Bekämpfung des Klimawandels sind vor allem globale Lösungen nötig. Die Weltgemeinschaft muss auf politischer Ebene handeln, genauso wie die einzelnen Länder für sich. Ein Anfang ist gemacht, mit dem erst kürzlich verabschiedetem EU-Renaturierungsgesetz. Es schreibt vor, dass 30% der Erdoberfläche renaturiert werden sollen. Moore sollen wieder vernässt, Wälder wiederhergestellt werden und Bäume sollen wieder älter werden dürfen. Zudem sieht es den Ausbau erneuerbarer Energien vor, einen umweltfreundlicheren Verkehr sowie eine nachhaltigere Landwirtschaft.
Auf all diese Maßnahmen können wir als Bevölkerung auch direkten Einfluss nehmen. Durch unsere täglichen Entscheidungen, wie den Kauf nachhaltig produzierter Produkte, die Nutzung von Bus, Bahn oder Fahrrad – und natürlich bei der nächsten Wahl. Bei den direkten Folgen der Eisschmelze ist das leider etwas schwieriger. Hier ist die Natur unser bester Verbündeter. Zum Beispiel können Fluten oder drohender Süßwassermangel abgeschwächt werden, indem man Ökosysteme wiederherstellt oder bestehende konsequent schützt. Um dies zu gewährleisten, sind Maßnahmen auf politischer Ebene nötig (Lieferkettengesetz etc., aber auch unsere täglichen Entscheidungen (siehe oben).

Aufgeben ist keine Option
Auch wenn viele Gletscher bereits verloren sind beziehungsweise ihr Abschmelzen nicht mehr verhindert werden kann, ist dies kein Grund aufzugeben. Jede Maßnahme zählt, um den Klimawandel zu begrenzen und noch schlimmere Auswirkungen zu vermeiden. Mut macht hier, dass bereits überall auf der Welt ein Umdenken stattfindet. Immer mehr Menschen setzen sich für Natur- und Umweltschutz ein. Es gibt immer mehr Klagen im Sinne des Umweltschutzes, immer mehr lokale Gemeinden oder Städte fördern den Umbau zu mehr Nachhaltigkeit. Was noch fehlt, ist der ganz große globale und politische Wille. Mit dem EU-Renaturierungsgesetz ist immerhin ein Anfang gemacht.
Die Eisschmelze wird auch eine spannende Station unserer neuen Bildungsplattform, auf der Schüler*innen in das Thema Meeresschutz abtauchen können. Wenn ihr mehr über das Projekt erfahren oder uns dabei unterstützen wollt, findet ihr hier weitere Informationen.
Quellen und weitere Informationen

Norman Schöne
aus dem Nepada Wildlife Kommunikationsteam
arbeitet in der Landwirtschaft, ist besonders fasziniert von Fledermäusen und überall auf der Welt Wildlife zu erleben
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