Von Kamerafallen und Tapiren
Meine letzte Woche im Dschungel von Laguna del Tigre, Guatemala, hat begonnen. Die Papageienküken wachsen fleißig heran, die Großen nehmen mittlerweile 50g pro Tag zu. Außerdem sind noch zwei weitere winzige Aras aus den Eiern im Inkubator geschlüpft, ein toller Erfolg. Heute soll ich mit Pedro Kamerafallen im Wald anbringen. Kamerafallen, das sind kleine, kastenförmige Kameras, die mit einem Infrarot-Sensor und einem Bewegungsmelder ausgestattet sind. Sie werden für Aufnahmen von wildlebenden Tieren und in der Feldforschung verwendet. Mit ausreichend Batterien und einer SD-Card ausgestattet, werden sie an Bäumen oder Lichtungen befestigen und nehmen drei Wochen lang Tag und Nacht Fotos von jedem Lebewesen auf, das ihnen vor die Linse läuft. Ein super Hilfswerkzeug zur Beobachtung von Wildlife.
Die WCS nutzt die Kameras, um die Nester brütender Aras zu bewachen, da es leider oft zu Wilderei und Raub der Papageienküken kommt. Außerdem wollen wir zwei Kameras nahe der Wasserlöcher im Dschungel anbringen, da sich dort besonders viele wilde Tiere aufhalten. So kann die Umweltschutzorganisation einen guten Überblick über die Wildpopulation im Nationalpark behalten. Vom Jaguar (Panthera onca) bis zum Nasenbär (Coati; Nasua narica).
Seltsam, bisher habe ich Wasserlöcher immer mit Afrika, Savanne, Giraffen und Antilopen verbunden. Allerdings nicht mit Regenwald? Aber klar, zurzeit herrscht Trockenzeit in Petén und da wird sogar im Regenwald das Wasser knapp. Nach eineinhalb Stunden erreichen wir unser Ziel im Wald. Ich bin etwas aufgeregt, als wir uns langsam an das braune, schlammige Loch heranpirschen. Bei all dem trockenen Laub und Ästen auf dem Boden fällt es mir äußerst schwer, mich leise fortzubewegen. Plötzlich bleibt Pedro abrupt stehen und reißt warnend seine Hand hoch. Ich bekomme jedes Mal einen riesen Schock, wenn er das tut. Mein Herz bleibt fast stehen, weil ich Sorge habe, wir sind auf eine Barba amarilla (Bothrops asper) gestoßen, eine der häufigsten und gefährlichsten Schlangen hier in der Gegend. Sie wird bis zu zwei Meter groß, ist leicht erregbar und extrem giftig.
Aber dann höre ich es auch: laute Klacker-Geräusche kommen auf uns zu, raschelndes Laub, Fußgetrampel. Eine riesige Rotte Weißbartpekaris (Tayassus pecari) stürmt an uns vorbei. Diese großen Wildschweine besitzen eine lange Nackenmähne und Wange, Nasen und Lippen sind weiß gefärbt. Zur Verteidigung gehen sie gerne zum Angriff über, erklärt mir Pedro, wieso sie als sehr gefährlich gelten. Die Wildschweine schlagen sogar Pumas (Puma concolor) in die Flucht. Ich bin äußerst eingeschüchtert, bleibe einfach stocksteif stehen und gebe keinen Ton von mir (sehr professionell). Als die circa 50 Tiere vorbeigerauscht sind, bleibt ein extrem penetranter Geruch zurück. Pedro schmunzelt: »Pekari-Parfum«. Ich lese später nach, dass die Tiere aufgrund von Habitatverlust und starker Bejagung laut IUCN in der Roten Liste als gefährdet (vulnerable) gelistet sind. Die Klacker-Geräusche erzeugen sie zur Warnung mit ihrem Kiefern.
Am ersten Wasserloch erwarten uns keine weiteren Überraschungen. Es ist kaum noch Wasser vorhanden, nur eine braune schlammige Brühe. Wir bringen so schnell es geht die Kamera am Baum an und machen uns aus dem Staub. Es scheint nämlich, als hätte ein riesen Schwarm Moskitos nur darauf gewartet, dass wir uns endlich dem Wasser nähern.
Vor dem zweiten Wasserloch geht dann einer meiner Träume in Erfüllung. Während wir wieder leise durch das Unterholz krabbeln, entdeckt Pedro einen zwei Meter großen einsamen Tapir (Baird`s Tapir; Tapirus bairdii) im Unterholz. Genüsslich frisst er die grünen Triebe des Dickichts und lässt sich von uns überhaupt nicht aus der Ruhe bringen. Ich könnte quietschen vor Glück. Wir nähern uns dem tollen Tier bis auf vier Metern und beobachten es knapp zehn Minuten. Herrlich, wie er mit seinem kurzen Rüssel zwischendurch Witterung aufnimmt, natürlich hat er uns längst bemerkt. Tapire sind eher scheue, nachtaktive Einzelgänger, die sich tagsüber ins Dickicht zurückziehen. Sie können gut schwimmen und wühlen gerne im Schlamm, was wir kurz darauf am Wasserloch sehr gut erkennen können. Der Mittelamerikanische Tapir wird von der IUCN als stark gefährdet (endangered) eingestuft. Nur noch um die 1000 Individuen leben in Guatemala. Die Gesamtpopulation wird auf weniger als 5500 Tiere geschätzt. Grund für den extremen Rückgang der Tiere ist die Vernichtung der Regenwälder Mittelamerikas durch Ausbau der Landwirtschaft, der Verkehrswege und die Ausdehnung der menschlichen Besiedlung. So kam es zu einer starken Fraktionierung der Lebensräume. Weitere Bedrohung stellte die Jagd durch den Menschen dar, die heute in den meisten Ländern illegal ist. Aber auch die Übertragung von Krankheiten durch unsere Nutztiere wie Hausrinder und Schweine stellen eine Gefahr für den Tapir dar. Ich kann es selbst kaum glauben, dass ich das große Glück habe dieses so besondere und seltene Tier in der Wildnis zu erleben und bemerke die Moskitos beim Aufhängen unserer zweiten Kamerafalle überhaupt nicht mehr…
HANNAH EMDE
Autorin, Gründerin und 1. Vorsitzende des Vereins
berichtet von ihren Einsätzen als Tierärztin in internationalen Artenschutzprojekten
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