
„Mit Bäume pflanzen allein ist es nicht getan“

Wälder sind wahre Schatzkammern des Lebens. Von den endlosen Nadelbaumwäldern der Taiga über die laubabwerfenden Buchenwälder der gemäßigten Breiten, die knorrigen Eichenwälder mediterraner Breiten, die wechselhaften Trockenwälder der Subtropen bis hin zu den undurchdringlichen Regenwäldern der Tropen präsentieren sie sich in einer Fülle an Formen. Mit 80% aller an Land lebenden Organismen beherbergen sie den Großteil aller Tier-, Pilz- und Pflanzenarten. Besonders die immerfeuchten Regenwälder der Tropen sind wahre Hotspots der Artenvielfalt und bieten einer schier endlose Fülle an Lebewesen eine Heimat. Darüber hinaus speichern Wälder gigantischen Menge an Kohlenstoff und regulieren durch Wasserspeicherung und Verdunstung das globale Klima. Durch Fotosynthese versorgen sie unsere Atmosphäre zudem mit lebenswichtigem Sauerstoff.
Trotz dieser essenziellen Funktionen, auch für uns Menschen, werden Wälder in alarmierendem Ausmaße zerstört. Laut der FAO (Food and Agriculture Organization) liegt der jährliche menschengemachte Nettoverlust der weltweiten Waldfläche bei 4,7 Millionen Hektar (47.000km2). Das entspricht in etwa der Fläche Estlands, die jedes Jahr verloren geht.
Aufforstung liegt im Trend
Angesichts solcher Zahlen ist es nachvollziehbar, warum eine Vielzahl von Projekten und Unternehmen damit begonnen hat, gezielt Bäume zu pflanzen um diesem negativen Trend entgegenzuwirken. Von der Suchmaschine, die Bäume pflanzt, bis zu multinationalen Zusammenschlüssen wie der „Bonn Challenge“ werden weltweit Aufforstungsmaßnahmen vorangetrieben. Die Forschung ist sich einig darüber, dass die Wiederherstellung von Wäldern ein effizientes Werkzeuge im Kampf gegen den Klimawandel und den Verlust von Artenvielfalt ist. Zahlreiche erfolgreiche Projekte weltweit bekräftigen das. Doch auf dem Weg zur Wiederherstellung eines Waldes kann vieles falsch laufen und noch lange nicht jeder gepflanzte Baum erfüllt am Ende einen Zweck für den Klima- oder Artenschutz.
Ein intakter Wald erfüllt eine Fülle an Funktionen: er bietet unzähligen Tieren und Pflanzen eine Heimat und trägt durch Kohlenstoffspeicherung zum Klimaschutz bei. Auch die Menschen in der Umgebung des Waldes profitieren, sei es durch die Stabilisierung des Wasserhaushaltes, die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen wie Holz, essbare Wildpflanzen, oder als Erholungsort. Somit vereint ein naturnaher Wald Klimaschutz, Biodiversitätsschutz und soziale sowie ökonomische Vorteile.

Auf die richtigen Bäume kommt es an
Vom Menschen gepflanzte Wälder erfüllen nicht zwangsläufig all diese Funktionen. Viele Aufforstungsprojekte stellen beispielsweise im Namen des Klimaschutzes die Kohlenstoffbindung in den Vordergrund. Um möglichst schnell Erfolge vorweisen zu können, werden dazu vorzugsweise schnell wachsende Baumarten angepflanzt. Zwar ist die Fixierung von Kohlenstoff ein nobles Anliegen und Forschende betonen immer wieder das Potential der Wiederaufforstung im Kampf gegen den Klimawandel. Doch Wälder, welche nur aus einer Handvoll schnell wachsender Arten bestehen, ähneln oftmals eher Plantagen und leisten kaum eine Funktion im Kampf gegen das Artensterben.
Häufig werden gebietsfremde Baumarten angepflanzt, welche für die heimische Tier- und Pflanzenwelt keine geeigneten Lebensräume bieten. Organismen einer bestimmten Region sind durch ihre Evolution auf einen ganz bestimmten Typ Ökosystem mit einer bestimmten Zusammensetzung an heimischen Arten angewiesen. Für sie reicht daher nicht einfach irgendein Wald mit irgendwelchen Bäumen aus.


Fest steht, dass Wälder, welche vornehmlich nur aus wenigen Baumarten bestehen, die nicht ideal an das lokale Klima angepasst sind, anfälliger für Schädlinge und Krankheiten sind und sich schlechter an veränderte klimatische Bedingungen anpassen können. Das zeigt sich eindrücklich mit einem Blick in die heimischen Wälder. Hier starben in den letzten Jahren im großen Stil die künstlich angelegte Fichtenplantagen durch mangelnde Anpassung an das trockener werdende Klima und das ungehinderter Ausbreiten des Borkenkäfers in den Monokulturen. Forschende sehen darin nun die Chance: Anstelle der Fichtenwälder kann nun ein naturnaher, widerstandsfähiger Wald entwickelt werden, der Lebensraum für die heimische Flora und Fauna bietet und der hoffentlich die notwendige Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel mitbringt.
Ein weiteres eindrückliches Beispiel dafür, wozu das Anpflanzen von Wäldern in Monokultur führen kann, zeigt der Blick nach China. Mit der Anpflanzung des größten künstlichen Waldes der Welt versucht die chinesische Regierung hier die Ausbreitung der Wüste Gobi einzudämmen. Im Jahre 2000 vernichtete eine einzige Krankheit, rund eine Milliarde Bäume. 20 Jahre der Aufforstung waren damit zunichtegemacht. Dass die falschen Bäume am falschen Ort sogar mehr Schaden als Nutzen bringen können, zeigte sich in Kolumbien. Forschende gehen hier davon aus, dass die verheerenden Waldbrände im Jahre 2023 sich der Hauptstadt nur deswegen so stark nähern konnten, weil sie durch die zahlreichen Eukalyptus-Plantagen mit ausreichend Brennmaterial versorgt wurden.
Nicht überall sollte ein Wald stehen
Die Auswahl der richtigen Baumarten ist daher ein essenzieller Erfolgsfaktor für Aufforstungsprojekte. Doch damit alleine ist es noch nicht getan. Forschende fassen das Vorgehen für eine erfolgreiche Aufforstung unter dem Motto „right tree, right place“ zusammen. Was zunächst denkbar simpel klingt, setzt ein gewisses Verständnis für regionale Ökosysteme voraus. Denn noch lange nicht überall auf der Welt wachsen natürlicherweise Wälder. Steppen und Savannen unserer Erde sind zum Beispiel gar nicht oder nur spärlich mit Bäumen bewachsen. Sie erfüllen dennoch wichtige Ökosystem-Funktionen und viele Tier- und Pflanzenarten kommen ausschließlich in diesen offenen Landschaften vor. Es sollte sich also eigentlich von selbst verstehen, dass diese Flächen in ihrem natürlichen Zustand erhalten bleiben. Nichtsdestotrotz hat eine internationale Forschergruppe beobachtet, dass gerade in den Savannen Afrikas mit dem Ziel der Kohlenstoffspeicherung enorme Aufforstungsmaßnahmen vorangetrieben werden. Es entstehen also künstliche Wälder, wo sonst niemals Wälder gewachsen wäre. Das hat fatale Folgen für die regionale Artenvielfalt.
Zudem ist die Kohlenstoffbindung durch Bäume nicht zwangsläufig effektiver als durch die natürliche Vegetation. Pflanzen, die in trockenen Savannen wachsen, verfügen oft über riesige Wurzelsysteme, um den Boden bestmöglich nach Wasser zu durchsuchen. Wenn die Pflanzen oberirdisch also auch noch so unscheinbar aussehen, speichern sie dennoch eine große Menge an Kohlenstoff in unterirdischen Pflanzenmaterial. Das Pflanzen von Bäumen ist also noch nicht einmal zwangsläufig effektiver. Zudem bringen die vielen neuen Bäume mancherorts durch ihre Verdunstung den Wasserhaushalt durcheinander.


Nach dem Anpflanzen kommt die Pflege
Ein Problem, welchem Aufforstungsvorhaben grade in den Tropen gegenüberstehen, ist, dass das Ökosystems durch die Abholzung so stark aus dem Gleichgeweicht geraten ist, dass sich von alleine gar kein Wald mehr bilden würde – zumindest nicht auf absehbare Zeit. Junge Bäume müssen also gezielt wieder angesiedelt werden. Doch damit ist es noch nicht getan, ohne die richtige Pflege werden sie schnell von Rankpflanzen überwuchert und erstickt. Einen einmal zerstörten Wald wiederherzustellen, kostet also extrem viel Zeit, Mühe und Know-How.
Eine Organisation, welche die Wiederherstellung von Wäldern in den Tropen bereits erfolgreich meistert, ist unser Projektpartner „Rhino and Forest Fund e.V.“ im Osten Borneos. Mit der gezielten Auswahl und Anzucht heimischer Baumarten werden ehemals leer geräumte Palmölplantagen wieder zu lebendigen Teilen des tropischen Regenwaldes. Die Beobachtungen der Kamerafallen sprechen für sich: Nach langer Abwesenheit können bedrohte Tierarten ihren ehemaligen Lebensraum wieder für sich erobern. Durch das wohlüberlegte Anlegen vom Wald-Korridoren werden Tierpopulationen, welche Jahrzehnte lang durch unüberwindbare Plantagen voneinander getrennt waren, wieder miteinander vereint. Dadurch kann sich der Genpool auffrischen, was einen elementaren Aspekt im Schutz bedrohter Arten darstellt.
Ein erfolgreiches Aufforstungsprojekt muss viele Faktoren berücksichtigen. Doch wenn es richtig umgesetzt wird, können die Ergebnisse beeindruckend sein: Widerstandsfähige Wälder, die nicht nur Kohlenstoff speichern, sondern auch Lebensräume schaffen, das Klima regulieren und nachhaltige Nutzung ermöglichen. Der Schlüssel liegt darin, Wälder nicht als bloße Kohlenstoffspeicher zu verstehen, sondern als komplexe, lebendige und faszinierende Ökosysteme.



Quellen und weitere Informationen
- Ashton MS, Martin MP and Vincent JR (2024) People today who plant trees successfully do it for livelihoods and income not for biodiversity or climate mitigation. Frontiers in Forests and Global Change
- Daley J (2024) Reforestation done right is a multi-tasking climate solution. Frontiers in Forests and Global Change
- Food and Agriculture Organization Of the United Nations (FAO) (2020) Global Forest Resources Assessment 2020 Key Findings
- Greco I, Beaudrot L, Sutherland C, Tenan S, Hsieh C, Gorczynski D et al. (2025) Landscape- level human disturbance results in loss and contraction of mammalian populations in tropical forests. PLoS Biology
- Parr CL, Best M, Stevens N (2024) Conflation of reforestation with restoration is widespread. Science
- Preece ND, Oosterzee P, Lawes MJ (2023) Reforestation success can be enhanced by improving tree planting methods. Journal of Environmental Management, Volume 336
- Rechtschaffen D. (2017) How China’s Growing Deserts Are Choking The Country. Forbes
- Wight JW (2024) Why is Latin America on fire? It’s not just climate change, scientists say. Nature

Max Schiefer
aus dem Artenschutz Team
hat organismische Biologie studiert und begeistert sich für die Artenvielfalt – besonders für Insekten.
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