Die Insel der Viren
Doch die isolierte Lage des Instituts hat einen guten Grund, wie ich später erfahre: Friedrich Loeffler gilt als Begründer der Virologie und forschte in Greifswald schon Anfang des 20. Jahrhunderts an einem gefährlichen Erreger der Maul- und Klauenseuche (MKS). Eine hochansteckende Tierseuche, die vor allem Rinder, Schweine und Schafe befällt. Seine Experimente führten allerdings immer wieder zu neuen Krankheitsausbrüchen in seiner Umgebung. So kam man zu dem Schluss, dass er sich doch besser einen isolierteren Forschungsort suchen solle. Also gründete er 1910 das FLI an einem abgelegenen Ort, umgeben von Wasser. Seitdem gilt Riems als »die Insel der Viren«. Die einzige Verbindung zum Festland stellte damals ein Dampfer und eine Drahtseilbahn dar, auf der Tier und Mensch über das Wasser transportiert wurden. Zum Glück erreiche ich nun über den aufgeschütteten Deich die Forschungsstation etwas bequemer.
Ich bin ein bisschen aufgeregt, als ich mit meinem Transponder das Drehkreuz passiere und das Gelände betrete. Ich erwarte Forscher in abgefahrenen Raumanzügen, BSE-Kühe in isolierten Ställen oder Desinfektionsduschen allenorts, aber dem ist nicht so. Eine friedliche Insel, umgeben von strahlend blauem Wasser, mit einigen hochmodernen Gebäuden und vielen freundlichen Mitarbeitern empfangen mich.
Die aktuelle Problematik der Aviären Influenza (sog. »Vogelgrippe«) ist da ein bekanntes Beispiel. Die Arbeit am Institut lief in den letzten Monaten auf Hochtouren. Die Referenzlabore legten Nachtschichten ein und die Mitarbeiter waren ständig auf neuen Einsätzen, haben betroffene Tiere beprobt oder Risikogebiete beraten.
Als wir mit dem Geländewagen quer über die holprige Wiese zum Entengehege fahren, sehe ich weit und breit nur Kühe, Vögel und Wasser. Ich hätte nie gedacht, mal die Ostsee mit dem Dschungel zu vergleichen, aber diese friedliche Stimmung und Weite, die ich hier vorfinde, erinnert mich doch sehr an den wilden Ort. Auch wenn Stockenten vielleicht nicht unbedingt mit Riesenschlangen vergleichbar sind, ist die Arbeit hier am FLI genauso spannend wie auf der Forschungsstation im Regenwald.
HANNAH EMDE
Autorin, Gründerin und 1. Vorsitzende des Vereins
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