Tierärztin Nebelparder

Conservation Medicine

Tierärztin Nebelparder
Die Insel Borneo ist einer der artenreichsten und vielfältigsten Orte, den ich je besucht habe.
Das »Kinabatangan Wildlife Sanctuary« im malaiischen Bundesstaat Sabah, in dem ich zurzeit arbeite, umfasst tropische Wälder, Altarm-Seen, Sumpfgebiete sowie Mangrovenwälder. Die Region gilt als Hotspot der biologischen Vielfalt in der Welt. Dieses 26.000 Hektar große Naturschutzgebiet entlang des Kinabatangan Rivers ist Heimat für Arten wie den Borneo-Orang-Utan (Pongo pygmaeus), Nasenaffen (Nasalis larvatus), Sunda-Nebelparder (Neofelis diardi), Gibbons (Hylobates), Sonnenbären (Helarctos malayanus), Borneo-Zwergelefanten (Elephas maximus borneensis), Schuppentiere (Manis javanica) und unzählige andere Dschungel-Spezies. Diese Arten sind nicht nur endemisch, also nur auf Borneo vorkommend, sondern leider auch stark vom Aussterben bedroht. Warum?
Luftaufnahme Regenwald Borneo
Der Großteil von Borneos Regenwald ist abgeholzt und Palmöl-Plantagen dominieren die Insel.
Sabah und der Kinabatangan-Regenwald sind in den letzten Jahrzehnten verwandelt worden. Der Großteil des Regenwalds wurde abgeholzt und wich riesigen Palmöl-Plantagen. Monokulturen, fein säuberlich aneinandergereiht, die sich kilometerweit über die Insel ziehen. Ein Riesenproblem ist, dass diese vom Menschen landwirtschaftlich genutzten Plantagen von den meisten Wildtieren nicht durchquert werden können. Sie wirken wie eine Barriere und zerschneiden die Lebensräume. Orang-Utans können sich ohne Bäume auf den Plantagen nicht fortbewegen. Nasenaffen finden kein Fressen. Elefanten verlieren ihre Orientierung. Es ist also nicht nur der Verlust des Regenwalds und Lebensraum der Tiere, sondern auch die Fragmentierung ihrer Habitate, das Borneos Wildlife das Leben schwermacht (Stichwort: Habitat Fragmentation – übrigens auch ein Problem in Deutschland). Die Plantagen drängen die Arten in immer kleinere Gebiete der Wälder zurück und schneiden ihnen den Weg in andere Waldstücke ab. Damit steigt die Populationsdichte der Tiere, Revierkämpfe werden zum Problem und das Nahrungsangebot sinkt drastisch. Schon jetzt ist das Borneo-Nashorn (Dicerorhinus sumatrensis harrissoni) ganz aus Sabah verschwunden. Naturschützer befürchten, dass der Borneo-Zwergelefant als nächstes aussterben wird.
Malaienbär
Der Sonnenbär verliert seinen Lebensraum durch umfangreiche Waldrodung. Eine weitere Bedrohung stellt die Jagd auf die Tiere dar.
Borneo Zwergelefant
Die Borneo-Zwergelefanten sind stark vom Aussterben bedroht.
Der Kinabatangan ist Quelle für Tausende von Tieren. Im »Danau Girang Field Centre«, der Forschungsstation, auf der ich gerade arbeite, kämpfen wir tagtäglich dagegen an, dass die Palmöl-Plantagen nicht bis an den Fluss gebaut werden. Denn das schneidet allen Wildtieren auch noch den Weg zum Wasser ab. Wir versuchen einen mindestens 3 km großen Korridor Regenwald entlang des Flusses zu erhalten, um damit den Tieren einen Zugang zum Wasser und den verschiedenen Fragmenten des Waldes zu ermöglichen. Aber durch die politischen Strukturen und Korruption vor Ort scheint auch dieser Kampf oft ausweglos.
Diese Problematik habe ich hier während meines Praktikums tagtäglich vor Augen. Auf der einen Seite die umwerfende Schönheit von Natur- und Tierwelt, und auf der anderen Seite die drastische Zerstörung und Fragmentierung von Lebensraum. Damit beschäftigen sich auch alle Forschungsprojekte auf der Station. Wir versuchen die Verbreitungsmuster und Lebensweise der Tiere zu studieren, um dann nach Lösungsansätzen zu suchen, in denen Mensch, Tier und Wirtschaft möglichst konfliktlos nebeneinander leben können.
Deshalb interessiere ich mich als Tiermedizinerin auch für den Schwerpunkt der »Conservation Medicine«, ein interdisziplinäres Feld, das die Beziehung zwischen Mensch, Tiergesundheit und Umweltbedingungen untersucht. Es reicht mir nicht aus, mich um die Gesundheit des Einzeltiers zu kümmern, sondern ich möchte die Gesundheit einer Spezies in Kontext mit seiner Umwelt setzen. Welche Probleme bringt der Habitat-Verlust mit sich? Welche neuen Berührungspunkte entstehen zwischen Mensch und Wildtier? (Die Rodung riesiger Waldflächen, um Platz für Plantagen und Ackerland zu schaffen, verschiebt eine Wildtierart in ein anderes Habitat, in dem es ein domestiziertes Tier (z.B. Haus- oder Nutztiere) infizieren kann. Das domestizierte Tier tritt in die Nahrungskette ein und infiziert so auch den Menschen.) Welche Krankheiten werden nun auch für den Menschen gefährlich?
Plantage
Palmöl-Plantagen schneiden den Tieren den Weg zum Fluss ab. Habitat-Fragmentierung ist ein großes Problem auf Borneo.
Portrait Hannah Emde
HANNAH EMDE

Autorin, Gründerin und 1. Vorsitzende des Vereins

berichtet von ihren Einsätzen als Tierärztin in internationalen Artenschutzprojekten