Sind Zoos noch zeitgemäß?
Zoos und große Schauaquarien sind bei vielen Artenschützer*innen umstrittene Institutionen. Wir möchten etwas Licht ins Dunkel bringen und versuchen, uns der kritischen Frage zu stellen, ob Zoos und Aquarien heute noch zeitgemäß sind.
Food
for Thought
1844 wurde der erste Zoo Deutschlands in Berlin gegründet. Schon damals stand die Bildung im Fokus. Außerdem wollte man wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Tierhaltung ziehen. Um die Artenvielfalt für Besuchende möglichst genau abzubilden, wurden die Zoos jedoch immer voller und die Gehege für die aus der Wildnis entnommenen Tiere immer kleiner.[1]
Arterhaltung und Artenschutz
Erst Mitte der 1980er Jahre wurden die ersten EEPs (Europäische Erhaltungszuchtprogramme) gegründet, die inzwischen rund 150 Tierarten umfassen.[2] Bei den EEPs, auf die Zoos mittels Infotafeln hinweisen, wird zwischen „insitu“ und „exsitu“ Programmen unterschieden. Insitu beschreibt die Zucht von Tieren innerhalb des natürlichen Lebensraumes, die Zoos durch Stiftungen und Spenden oder ggf. auch mit Know-how und Personal vor Ort unterstützen. Exsitu meint die Zucht von Tieren außerhalb des natürlichen Lebensraums, also die Reproduktion in Zoos. Um die genetische Vielfalt zu erhalten, arbeiten Zoos eng zusammen und führen Zuchtbücher. Die Exsitu-Programme dienen zunächst dem Zweck, den aktuellen Tierbestand in Zoos ohne Wildfänge zu erhalten. Erst im zweiten Schritt wird auch die Wiederauswilderung von Tieren in Betracht gezogen. Bespiele von Zootieren, die wieder in der Wildnis angesiedelt wurden, sind die Waldrappe oder die Przewalski-Pferde.[3] Allerdings ist die Zahl der erfolgreichen Projekte sehr gering, durch die Gewöhnung der Tiere an den Menschen oder schlichtweg durch fehlenden natürlichen Lebensraum.
Umweltbildung
Die Möglichkeit, Tieren direkt in die Augen zu blicken und gleichzeitig vieles über die massiven Bedrohungen, denen immer mehr Arten in der Wildnis ausgesetzt sind, zu erfahren, bewegt etwas in Menschen.[4] Viele Zoos und Aquarien bieten inzwischen daher ganz konkrete Ratschläge an, was jeder Einzelne von uns im Alltag für den Artenschutz tun kann. So klärt das Aquarium in Berlin über die Verschmutzung der Weltmeere durch Plastik und Mikroplastik auf, während der Frankfurter Zoo unter anderem Palmöl ins Visier nimmt. Darüber hinaus gibt es eigene Zooschulen, in denen sich auch die Jüngsten unserer Gesellschaft mit eben jenen Themen auseinandersetzen können. Wie stark ein Zoobesuch nachwirkt, ist jedoch unterschiedlich. Während einige mit neuen Erkenntnissen über bedrohte Tiere nach Hause fahren, haben andere den Besuch im Tierpark als reine Unterhaltung empfunden und der Bildungsauftrag hat sein Ziel verfehlt.
Forschung
Zoos sind für viele Bereiche der Zoologie, Biologie und Wildtiermedizin wichtige Institutionen. So können in Zoos gewonnene Erkenntnisse aus der Fortpflanzungsbiologie beispielsweise dabei helfen, Tierbestände in der Wildnis gezielter zu schützen. Genauso, wie Erkenntnisse aus der Behandlung von erkrankten oder verletzten Zootieren helfen, Tiere in der Wildnis untersuchen und behandeln zu können. „Denn wir können nur schützen, was wir auch kennen“, findet auch unsere Vorsitzende Hannah Emde.[5]
Tierwohl
In freier Wildbahn streifen die Tiere meist durch große Territorien, die ein Zoo nicht bieten kann. Die innerhalb von Dachverbänden, wie der European Association of Zoos and Aquaria (kurz: EAZA), organisierten Zoos und Aquarien haben sich jedoch zu besseren Haltungsstandards verpflichtet. Diese Standards beziehen sich unter anderem auf die Größe und artgerechte Gestaltung von Gehegen. Das Vergrößern von Gehegen wird – insbesondere bei Zoos in Innenstadtlagen – häufig durch das Zusammenlegen von Gehegen verschiedener, miteinander verträglicher Tierarten erreicht. So sind bereits in vielen Zoos Savannen-Landschaften entstanden, innerhalb derer beispielsweise Giraffen, Zebras, Gnus und Impalas zusammenleben. Das bietet gleich zwei Vorteile: Es bedeutet mehr Beschäftigung für die Tiere durch die Auseinandersetzung mit Tieren außerhalb der eigenen Spezies und Besucher erhalten eine etwas bessere Vorstellung des natürlichen Lebensraumes der Tiere. Darüber hinaus ist die artgerechte Beschäftigung der Tiere wichtig, z.B. indem die Futtersuche ihren Gewohnheiten in der Natur nachempfunden wird. Mancherorts übernehmen Zoos sogar eine Rolle als Auffangbecken für vom Zoll entdeckte Tiere, oftmals Opfer illegaler Wildtierhändler.[6]
Die bekannte Artenschützerin Jane Goodall hat noch einen anderen Gedanken formuliert: „In einer idealen Welt würden alle Tiere ein freies Leben in der Wildnis leben, sicher vor Störungen durch den Menschen. Die traurige Wahrheit ist, dass ein relativ großer Anteil der übriggebliebenen wilden Schimpansen umgeben von Gefahren lebt, die der Mensch verursacht. […] Mit anderen Worten, ein guter Zoo als Zuhause für Tiere ist unter Umständen einem Leben an vielen Orten in der Wildnis vorzuziehen.“[7] Das klingt bitter, zeigt aber, dass wir diese Themen ganzheitlich betrachten müssen.
Die
Preisfrage
Rechtfertigen Umweltbildung, Forschung und Bemühungen im Bereich Arterhaltung und Artenschutz die Existenz von mehreren Hundert Zoos und Aquarien allein in Deutschland? Einige Tierschutzorganisationen, darunter Peta[8] oder auch der Meeresbiologe Robert Marc Lehmann[9], beantworten diese Frage mit einem klaren Nein. So wird häufig angemerkt, dass die Bemühungen von Zoos Tiere wieder auszuwildern gegenüber den 150 Arten, die täglich aussterben[10], viel zu weit zurück blieben und auch die finanzielle Unterstützung von Insitu-Projekten zu gering ausfalle.[11] Außerdem stößt man bei der Recherche immer wieder auf Hinweise, dass insbesondere große Aquarien und Ozeanarien bis heute noch mit wild gefangenen Tieren arbeiten.[12]/[13] Wildfänge können und wollen auch wir nicht gutheißen. Ebenso wird die Haltung von Tieren in zu kleinen Käfigen niemals zeitgemäß sein, so viel ist sicher. Doch viele Zoos wandeln sich und rücken Arterhaltung und Artenschutz in den Fokus. Ob es dafür tatsächlich so viele Zoos braucht, bleibt aber fraglich. Sagen wir es daher so: Wissenschaftlich geführte, Tierwohl- und Artenschutzorientierte Zoos können durchaus einen Beitrag für den Erhalt der Artenvielfalt leisten, aber schlechte Tierhaltung und Wildtierfang statt Auswilderung sind definitiv nicht mehr zeitgemäß.
Zum
Mitnehmen
Zoos sind nicht pauschal schlecht. Doch wie erkenne ich nun einen guten oder einen schlechten Zoo? Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum Beispiel kann man bei den Gehegen ganz genau hinsehen. Auch auf Beschilderungen zu achten und Informationen zum Engagement des Zoos aufmerksam zu lesen, kann hilfreich sein. Gegebenenfalls ist es auch möglich, sich mit dem Personal vor Ort zu unterhalten. Ein weiteres Indiz ist auch die Mitgliedschaft in einem Dachverband, wie der EAZA, da sich deren Mitglieder zu gewissen Standards verpflichtet haben. Wem das alles zu unsicher ist und in Zukunft die Arbeit von Zoos nicht weiter unterstützen möchte, dem könnte der Besuch eines Naturkundemuseums oder virtueller Zoos gefallen. Auch unsere Augmented Reality App 4Wildlife macht Wildnis erlebbar – und das ganz ohne echte Tiere.
Quellen und weitere Informationen
[1] VdZ: Historie von Zoos und Schauaquarien
[2] Zoo Frankfurt: EEP – Europäisches Erhaltungszuchtprogramm
[3] WDR Theos Tierwelt „Fast ausgestorbene Arten – Kann Auswilderung sie retten?“
[4] Buch Hannah Emde „Abenteuer Artenschutz“, S. 56
[5] Buch Hannah Emde „Abenteuer Artenschutz“, S. 57
[6] Podcast, The Jane Goodall Hopecast, Staffel 1 Episode 10 [7] Jane Goodall Institut: Schimpansen im Zoo
[2] Zoo Frankfurt: EEP – Europäisches Erhaltungszuchtprogramm
[3] WDR Theos Tierwelt „Fast ausgestorbene Arten – Kann Auswilderung sie retten?“
[4] Buch Hannah Emde „Abenteuer Artenschutz“, S. 56
[5] Buch Hannah Emde „Abenteuer Artenschutz“, S. 57
[6] Podcast, The Jane Goodall Hopecast, Staffel 1 Episode 10 [7] Jane Goodall Institut: Schimpansen im Zoo
[8] Peta: Zoos – Gefängnisse für Tiere
[9] Meeresbiologe Robert Marc Lehmann über Zoos
[10] FAZ: WWF – Größtes Artensterben seit Ender der Dinosaurier-Zeit droht
[11] bpb: Ein Ettikettenschwindel
[12] Sharkproject Germany e.V.: Großaquarium Shark City
[13] Podcast „Planet A“ Staffel 2, Folge 23: „Zoos und Aquarien – Wie zeitgemäß sind sie noch?“
[9] Meeresbiologe Robert Marc Lehmann über Zoos
[10] FAZ: WWF – Größtes Artensterben seit Ender der Dinosaurier-Zeit droht
[11] bpb: Ein Ettikettenschwindel
[12] Sharkproject Germany e.V.: Großaquarium Shark City
[13] Podcast „Planet A“ Staffel 2, Folge 23: „Zoos und Aquarien – Wie zeitgemäß sind sie noch?“
Julia Dibiasi
angehende Journalistin aus dem Nepada Wildlife Team
gibt hier Impulse zu Artenschutz im Alltag
Unsere „Artenschutz to go”-Beiträge erheben keinen Anspruch
auf Vollständigkeit, sondern geben lediglich Impulse für einen
bewussteren und nachhaltigeren Umgang mit unserem Planeten. Gemeinsam
können wir vieles besser, aber auch nicht sofort alles richtig machen.
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