Die Facetten des Wildtier-Tourismus

© Hendrik Heidbrink
Safaris in Nationalparks, Gorilla Trekking, Elefantenreiten, das Streicheln und Posieren mit jungen Wildkatzen. Der Wildtier-Tourismus hat viele Gesichter. Die gute Nachricht vorab: Nicht alle davon sind per se schlecht fĂŒr die Tiere. Einige können auch zum Schutz von Wildtieren beitragen, wie bereits in unserem Blogbeitrag »Reiselust trotz Klimafrust« beschrieben. Doch es lohnt sich genau hinzusehen. Nicht ĂŒberall, wo »Rescue« oder »Sanctuary« draufsteht, geht es wirklich um das Wohl der Tiere oder gar darum, sie wieder auszuwildern. Wichtig ist daher, die einzelnen Angebote kritisch zu hinterfragen.

Food
for Thought

Die am weitesten verbreitete Form des Wildtier-Tourismus ist eine Safari. Egal, ob zu Fuß oder mit dem Auto erkunden Reisende spezielle Schutzgebiete und Nationalparks. Vielerorts werden die Einnahmen durch Parkeintritte fĂŒr die Bezahlung ausgebildeter Ranger genutzt, um die Tiere vor Wilderern zu schĂŒtzen. Trotzdem ist es wichtig, dass die sensiblen Ökosysteme und ihre Tierwelt nicht durch den Einlass zu vieler Touristen ĂŒberlastet werden. Oft profitieren jedoch nicht alle Bevölkerungsgruppen vor Ort von den Tourismuseinnahmen. Es kann durch das gehobene Preisniveau sogar dazu kommen, dass sich Anwohner*innen den Eintritt in Schutzgebiete oder Nationalparks nicht mehr leisten können. Dadurch entsteht die Gefahr, dass der Bezug zu den heimischen Wildtieren verloren geht. Im Gegensatz dazu stellt der wachsende Markt fĂŒr Buschfleisch sowie die traditionelle chinesische Medizin eine verlockende Einnahmequelle dar. Die AbschĂŒsse durch Wilderer nehmen daher generell und insbesondere in der aktuellen Zeit, wo die Einnahmen durch den Tourismus einbrechen, zu.

Dennoch kann der hochpreisige Safari-Tourismus auch als Chance fĂŒr den Erhalt seltener und bedrohter Wildtierarten gelten. Ein positives Beispiel hierfĂŒr ist der Einfluss des Tourismus auf den Erhalt der Berggorillas in Uganda. Durch den relativ kostspieligen Parkeintritt fĂŒr Personen, die nicht aus Ostafrika stammen[1], konnte ein effektiver Schutz der Primaten durch Ranger sowie TierĂ€rzt*innen finanziert werden und die Population erholte sich.[2]

Neben Safaris werden jedoch auch andere touristische AktivitĂ€ten angeboten, die sich oft am Rande der LegalitĂ€t bewegen oder sogar illegal sind. Exotische Tiere werden aus ihrem natĂŒrlichen Lebensraum entnommen und mental gebrochen, um bestimmte Verhaltensweisen an den Tag zu legen oder Dinge ĂŒber sich ergehen zu lassen, die sie in freier Wildbahn niemals zulassen wĂŒrden. Ein bekanntes Beispiel ist das Reiten auf Elefanten. Den meisten Tourist*innen ist nicht bewusst, dass die hĂ€ufigen Behauptung, die Elefanten stammten aus Zirkussen oder wurden verletzt aus der freien Wildbahn gerettet, einfach nicht stimmen, sondern die Tiere nur fĂŒr touristische Zwecke gefangen werden. DarĂŒber hinaus wird ihnen mit speziellen Elefantenhaken Schmerz zugefĂŒgt [3], damit sie ihren Peinigern gehorchen. Nachts werden die DickhĂ€uter angekettet. Ein weiteres Beispiel sind SpaziergĂ€nge mit jungen Löwen, die hĂ€ufig, wenn sie zwei oder drei Jahre alt sind ausgemustert und zum Abschuss an TrophĂ€enjĂ€ger verkauft werden.[4] Auch das BetĂ€uben von Wildkatzen, damit die Tiere ruhig genug sind, um von Touristen gestreichelt zu werden, ist eine hĂ€ufig angewendete Praxis. Der vor einigen Jahren medial viel beachtete Tigertempel in Thailand funktionierte Ă€hnlich. Nachdem die jungen Tiger ihren MĂŒttern entrissen und per Flaschenaufzucht direkt an den Menschen gewöhnt wurden, nutzte man sie zunĂ€chst fĂŒr touristische Zwecke. Wenn die Tiere dann zu groß und damit dem Menschen gefĂ€hrlich werden konnten, wurden sie getötet. Knochen, Fleisch und Felle wurden anschließend fĂŒr viel Geld verkauft, da Körperteile des Tigers in der traditionellen chinesischen Medizin als potenzsteigernd gelten[5].
Junger Gorilla im Bwindi Impenetrable National Park, Uganda © Natascha Kreye
Beim Baden brauchen Elefanten normalerweise keine menschliche UnterstĂŒtzung.
Wildtiere zu streicheln hat nichts mit artgerechter Haltung oder einem Tourismus zu Schutzzwecken zu tun © Julia Dibiasi

Die
Preisfrage

Die Auswirkungen des Wildtier-Tourismus lassen sich also nicht pauschalisieren. Es gibt durchaus Angebote, bei dem Tourist*innen mit ihren Eintrittsgeldern in Rehabilitationszentren oder Nationalparks etwas Gutes fĂŒr den Erhalt der Tierwelt bewirken können. Und es gibt jenen, den es, so reizvoll es auch sein mag, lieber zu meiden gilt. Doch gibt es wirklich nur schwarz und weiß? Nein, natĂŒrlich finden sich auch viele Nuancen dazwischen. So gibt es zum Beispiel Projekte, die Tiere in Gefangenschaft halten, weil diese nach einer Verletzung und einem langen Genesungsprozess stark an den Menschen gewöhnt sind und daher nicht mehr ausgewildert werden können. Diese Tiere können dann gezielt als Botschafter ihrer Art eingesetzt werden, um ĂŒber ihre Bedrohung in freier Wildbahn aufzuklĂ€ren. HĂ€ufig werden mit den Eintrittsgeldern solcher Projekte auch wichtige Maßnahmen zum Schutz wildlebender Populationen finanziert. Wird jedoch gestattet, die Tiere zu streicheln, in nĂ€chster NĂ€he Fotos mit ihnen zu machen oder gar auf ihnen zu reiten bzw. sie auf den Arm zu nehmen, hat das nichts mehr mit artgerechter Haltung oder einem Wildtier-Tourismus zu Schutzzwecken zu tun. In diesen FĂ€llen steht meist der finanzielle Vorteil der Veranstalter und der Erlebnishunger von Tourist*innen im Vordergrund. FĂŒr das jeweilige Wildtier selbst bedeutet es oft unbemerkt Stress, Qual und Angst.
Hannah sitzt im Dschungel

Zum
Mitnehmen

Generell lohnt es sich beim Wildtier-Tourismus genau hinzusehen. Jeder kann durch gezielte Recherche vorab und Hinterfragen der Gegebenheiten vor Ort einen Wildtier-Tourismus unterstĂŒtzen, der Tieren nutzt, statt schadet. Fragen, die man sich in dem Zusammenhang stellen kann, sind: Wird das Tier in seinem natĂŒrlichen Verhalten eingeschrĂ€nkt, also darf ich mit ihm posieren oder es streicheln? Sehe ich das Tier in seinem natĂŒrlichen Lebensraum? Wem kommen die EinkĂŒnfte zugute? NatĂŒrlich sind nicht alle Antworten fĂŒr uns Besucher*innen ersichtlich, aber die Fragen unterstĂŒtzen uns dabei, den Fokus immer zuerst auf die BedĂŒrfnisse der Tiere zu richten.

Außerdem kann es helfen zu recherchieren, ob sich ein Nationalpark oder ein Projekt innerhalb eines Verbandes organisiert und wenn ja, wofĂŒr der Verband steht. Ein Beispiel fĂŒr den Kontinent Afrika ist das African Parks Network, das sich neben dem Schutz der Landschaft und Tiere, insbesondere der Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung verschrieben hat.[6]

Sollte eine Erfahrung trotzdem einmal nicht so gut sein, besteht die Möglichkeit, dies der empfehlenden Stelle (dem Tourenanbieter oder Hotel) oder sogar dem entsprechenden Ministerium fĂŒr Tourismus im jeweiligen Land zu melden. So kann jeder, der möchte, einen Teil zum Artenschutz beitragen.[7]
Delfin-Watching
Bei Delfin- und Whale-Watching-AusflĂŒgen sollten Bootsbetreiber stets ausreichend Abstand zu den Tieren halten.
Portrait Julia Dibiasi
Portrait Miriam ElsÀsser
Julia Dibiasi und Miriam ElsÀsser

aus dem Nepada Wildlife-Team

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