Toucan Kim Lange

Als Wildtierärztin in Ecuador – Teil 1

Noch immer spielt Wildtiermedizin im Studium eine eher untergeordnete Rolle. Dabei brauchen wir gute Tierärztinnen und -ärzte, die sich in diesem Bereich für einen gesunden Planeten engagieren. Auch Kim Lange musste hartnäckig suchen, bis sie die Möglichkeit gefunden hat, im Dschungel Ecuadors Erfahrungen zu sammeln:

Toucan Kim Lange
Ein Toucan (c) Kim Lange

Vor mehreren Monaten habe ich den ecuadorianischen Regenwald hinter mir gelassen, dennoch fühlt es sich an, als wäre es erst gestern gewesen. Denn der Regenwald erzeugt ein Gefühl der tiefen Verbundenheit mit der Natur und hat eine sehnsüchtige Anziehung, die einen nicht mehr loslässt.

Aber wie bin ich da eigentlich hineingeraten?

Als kleines Mädchen hatte ich den Wunsch Tierärztin zu werden. 20 Jahre später hätte ich mir nicht träumen lassen können, dass die Zeit so schnell und „problemlos“ vergehen würde. Wilde Tiere haben mich schon immer fasziniert und mir wurde klar, dass die Wildtiermedizin mich am meisten interessiert. Dieser Bereich wird im Studium leider nur kurz angerissen, wenn überhaupt. Daher fand ich mich des Öfteren vor dem Laptop wieder, wie ich unzählige Kombinationen der Wörter „Tiermedizin“, „wilde Tiere“, „Tierärztin“, „Praktikum“ bei Google in verschiedensten Sprachen eingab und eine Vielzahl von Emails an unbekannte, meilenweit entfernte Personen schickte. Die Möglichkeit, ein kostenloses Praktikum im Wildtierbereich zu finden, scheint bis heute beinahe unmöglich. Am Ende meines Studiums nach weiteren wilden Suchen im Internet, habe ich die Wildtierauffangstation AmaZoonico in Ecuador gefunden. Zwar ist dieses Projekt leider auch nicht kostenlos, jedoch nicht mit den Unsummen anderer Programme vergleichbar.
Kim Lange
(c) Kim Lange

Upichu Sacha – Willkommen im Dschungel

AmaZoonico kümmert sich seit 1993 um Wildtiere aus dem illegalen Handel von großen und kleinen Säugetieren über Papageien bis hin zu Reptilien. Die 5 ha große Station ist in privater Hand des Einheimischen Kichwa-Mannes Remigio Canelos und Teil von Selva Viva, welches 1750 ha Regenwald beschützt. Diese Region befindet sich im Osten Ecuadors in der Region des Río Napo, einem Nebenfluss des Amazonas, 1,5 h von der nächstgrößeren Stadt Tena entfernt. Seit dem Bestehen wurden schon über 3.000 Tiere aufgenommen, dabei konnte die Hälfte wieder ausgewildert werden. Derzeit werden jeden Tag um die 160 Tiere versorgt, die leider nicht mehr in die Wildnis zurückkehren können aufgrund von Verhaltensstörung verursacht durch den illegalen Handel. Diese Tiere suchen Aufmerksamkeit vom Menschen, da sie sich an uns gewöhnt haben oder verbringen viel Zeit am Boden, wo Gefahr lauert – was den Tod in der Wildnis bedeuten würde.

In Ecuador ist der Handel mit Wildtieren nach dem Waffen- und vor dem Drogenhandel einer der lukrativsten im Land. Vor nicht allzu langer Zeit war es normal, dass Exoten auf den Märkten zum Kauf angeboten wurden. Das dortige Wildtierschutzgesetz gibt es erst seit 2014, aber Geschichte ist es noch lange nicht. Das Umweltministerium konfisziert diese Tiere und bringt sie u.a. zu AmaZoonico. Jedes ankommende Tier wird allgemein untersucht und alle weiteren notwendigen Behandlungen eingeleitet. Nach einer einmonatigen Quarantäne ziehen sie dann in ein Außengehege um, wenn sie nicht ausgewildert werden können. Wenn es kein passendes Zuhause gibt, wird es neu gebaut, um den Haltungsanforderungen des jeweiligen Tieres gerecht zu werden.

Das Wissen der Kichwa

Bei AmaZoonico stellt man sich auch kulturellen Herausforderungen. Das Zentrum arbeitet eng mit der einheimischen Kichwa-Community zusammen, alle festangestellten Arbeiter sowie Früchte für die Tiere stammen von den Kichwas. Sie helfen, eine Brücke zwischen der Station und der lokalen Bevölkerung zu bauen, denn leider herrscht noch viel Unwissen. So findet man im Dschungel illegale Zoos, verschiedenste Naturvölker halten Wildtiere in ihren Dörfern oder stellen Schmuck und andere Sachen aus Tierprodukten her. Häufig erzählten mir Touristen, dass sie vorher ein indigenes Dorf besucht haben und leider das Gegenteil von dem erfuhren, was wir in den Touren lehren: Verkauf von Tierprodukten und Tierselfies. Jedoch möchte ich anmerken, dass diese im Regenwald beheimateten Völker mit ihrem Handeln auch ihren uralten Traditionen nachgehen, wodurch ein kultureller Konflikt entsteht. Ich habe größten Respekt vor ihrem Wissen, sie kennen jede Pflanze und jedes Tier des Dschungels und besitzen mehr Wissen über die Natur als jeder andere. Die Angestellten des Zentrums vereinen neues und altes Wissen und geben ihr erlangtes Bewusstsein weiter.
Kim Lange in Ecuador
Kim Lange im Dschungel Ecuadors

Meine Aufgaben in der Station

In der Auffangstation gibt es immer etwas zu tun: regelmäßige Fütterungsrunden, Exkremente und Nahrungsresten in den Gehegen beseitigen, Tränken erneuern, Neues bauen, Altes reparieren und verschiedene Beschäftigungsangebote für die Tiere zubereiten. Noch dazu besuchen jeden Tag viele Touristengruppen die Station, die durch einen Teil des Zentrums geführt wird. Im anderen, separaten Teil leben bspw. Ozelots, Jaguarundi, Wollaffen und einige Klammeraffen, um ihr Stresslevel so gering wie möglich zu halten und eventuell eine Wiederauswilderung möglich zu machen.
Die derzeitige Stationstierärztin Vicky geht mindestens einmal pro Woche eine Runde durch den gesamten Park, um jedes Tier zu begutachten und Veränderungen frühestmöglich wahrzunehmen. Sollte ein Tier plötzlich auffallen, wird das auch von den Pflegern gemeldet. Kranke Tiere werden von ihren Artgenossen abgesondert und kommen in Quarantäne in das Krankenhaus bis zu ihrer Heilung. Daneben werden die meisten Tiere regelmäßig gemessen und gewogen, um ihren Zustand im Auge zu behalten. Ich bin Vicky unglaublich dankbar, dass ich während meines Aufenthaltes so Vieles von ihr lernen durfte, z.B. weiß ich jetzt, dass Kaffee Blutungen bei Vögeln stoppt und Aloe Vera bei Diarrhoe hilft. Sie hat mir auch eine Menge zugetraut, zum Beispiel durfte ich während meines Aufenthaltes die Behandlung an einem verletzten Tapir durchführen.
Nach getaner Arbeit hat man den Rest des Tages frei, nur manchmal ist man abends eingeteilt um die nachtaktiven Tiere zu füttern. Nachmittags unternimmt meist das ganze Team etwas zusammen: im Fluss schwimmen, am nahelegenden Strand grillen oder abends zusammen kochen. Es gab auch die ein oder andere Party und ich durfte Weihnachten und Neujahr im Dschungel mit den dortigen Traditionen verbringen. Man kann aber auch einfach in einer Hängematte entspannen oder seinen Lieben aus der Heimat von seinen Erlebnissen am WIFI-Hotspot berichten. Wöchentlich hat jeder zwei aufeinanderfolgende Tage frei, in denen auch andere Orte besucht werden können, z.B. „Cascadas Pipillitu“ oder „Laguna Azul“. An den sogenannten „Fruit Days“ werden zweimal pro Woche Unmengen frischer Früchte für die Tiere von den einheimischen Frauen gekauft und bergauf ins Lager geschleppt. Als Stärkung gibt es jeden Tag leckeres traditionelles Frühstück und Mittagessen, auch vegetarisch. Einmal pro Woche findet ein Meeting statt, in dem der Plan für die nächste Woche besprochen wird und jeder anmerken kann, was gut läuft oder was verbessert werden sollte.
Aras Kim Lange
Aras (c) Kim Lange

Volunteering lohnt sich

Ich hoffe ich konnte euch das Leben im Regenwald ein Stück näher bringen und dazu inspirieren, eurer Passion zu folgen. Für mich war es eine einzigartige Erfahrung, zwei Monate im Dschungel zu leben und meinem Traum der Wildtierärztin ein Stück näher zu kommen. Man leistet harte Arbeit, vor allem unter Berücksichtigung des ungewohnten Klimas, aber es macht einfach unbeschreiblichen Spaß und am Ende des Tages wird man mit einem Haufen Erfahrungen und unvergesslichen Erinnerungen belohnt.
Falls ihr glaubt, so ein Volunteering ist eher nichts für euch, dann gibt es auch viele andere Möglichkeiten zu helfen. Schaut dafür gerne mal auf amazoonicorescue.org oder bei Instagram bei @amazoonico vorbei. Denn jeder noch so kleine Beitrag hilft dem Wildtierhandel ein Ende zu setzen.
Gracias Madre Tierra oder – wie die Kichwa sagen würden – Pagarachu Pacha Mama!  Wenn ihr Lust habt, erzähle ich euch beim nächsten Mal etwas über meine tierischen Patienten und gebe ein paar Tipps für das Leben im Dschungel. Eure Kim
Kim Lange Team Portrait
Kim Lange

Tiermedizinerin mit Wildtierschwerpunkt

berichtet von ihren Volunteering-Erfahrungen im Dschungel